Offener Brief zum Angelverbot: Verbesserungen durch Dialog

Veröffentlicht am 05.05.2017 in Aktuelles

05.05.2017


(Foto: studio kohlmeier berlin)

Seit einiger Zeit, und insbesondere seit der Podiumsdiskussion der „Fishing Masters Show“ am 22. April in Burgstaaken, haben mich viele Anfragen zu dem geplanten Angelverbot erreicht. Gerne möchte ich daher dazu öffentlich Stellung nehmen.

Das geplante Angelverbot seit 2004 auf Vorschlag Deutschlands von Brüssel ausgewiesenem FFH-Gebiet im Fehmarn-Belt – im dort vorgesehenen Naturschutzgebiet durch das Bundesumweltministerium ist seit Februar 2016 ein "heißes Eisen" für Ostholstein, denn in seiner ursprünglichen Form (mit 100 Prozent Angelverbot im gesamten Gebiet) hätte es viele der 12 Familienbetriebe mit ihren Angelkuttern in Heiligenhafen und Burgstaaken auf Fehmarn in ihrer Existenz gefährdet. Genau deshalb habe ich mich bereits im März 2016 in einem Brief an Umweltministerin Barbara Hendricks schriftlich GEGEN das vorgesehene Angelverbot in dieser Form ausgesprochen und sie bzw. ihren zuständigen Staatssekretär Jochen Flasbarth zum Gespräch mit den betroffenen Angelkutterkapitänen nach Ostholstein eingeladen. Deshalb kamen am 10. Juni 2016 Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth und die als SPD-Europa-Abgeordnete in Brüssel für Fischerei zuständige Ulrike Rodust zu Gesprächen mit den betroffenen Kapitänen und Familienunternehmen nach Heiligenhafen. So ging auf meine Initiative ein Dialog zwischen dem federführenden Ministerium und den Betroffenen weiter, der mehrfach konkrete Änderungen hervorbrachte und deshalb von mir als tragfähiger Kompromiss und Erfolg für die Betroffenen und für die Region bezeichnet wird.

Dieser Dialog mit der SPD-Bundestagsfraktion begann allerdings schon am 26. April 2016, als sich in Berlin sieben SPD-Küstenabgeordnete, die von Angelverboten in bestehenden FFH-Schutzgebieten betroffen waren, auf Einladung unseres fachlich zuständigen SPD-Kollegen Johann Saathoff aus Niedersachsen zu gemeinsamen Initiativen zu Gunsten „ihrer“ Angler und Fischer trafen. Zu diesem Gespräch kamen auf meine persönliche Einladung die beiden zuständigen Angelkutterkapitäne Willi Lütdke (Fehmarn) und Thomas Deutsch (Heiligenhafen) sowie für die EGOH Jens Meyer, Holger Ortel (Präsident Deutscher Fischereiverband) und Generalsekretär Peter Breckling vom Deutschen Fischerei-Verband e.V.

Das BMUB erstellte auf Veranlassung von Staatssekretär Flasbarth und als Reaktion auf die Veranstaltung am 10. Juni 2016 in Heiligenhafen eine auf nur noch 30 Prozent (!) drastisch verkleinerte Angelverbotszone im Fehmarnbelt - allein dies war aus meiner Sicht schon ein großer Fortschritt, den ich am 2. Juli 2016 bei einem erneuten Treffen mit den Angelkutterkapitänen, der Präsidentin des Deutschen Angelfischer-Verbandes (DAFV) Dr. Happach-Kasan und dem Generalsekretär des Deutschen Fischerei-Verbandes Breckling in Oldenburg übergab und diskutierte. Bei der Diskussion über die Fortschritte und Mängel des neuen Entwurfs erfuhr ich, dass eine deutliche Verschiebung der Schutzzone nach Osten von den Betroffenen besonders gewünscht wurde, weil dadurch wesentliche Teile des für die Angelkutter so attraktiven West-Riffes künftig beangelt werden könnten. Schon bei diesem Gespräch wurde allerdings – insbesondere durch den Wortführer Jens Meyer (EGOH) – deutlich gemacht, dass es aus seiner Sicht eigentlich GAR KEINEN Kompromiss geben könne, wenn das Angelverbot nicht KOMPLETT fallen würde. Selbst die Präsidentin des Deutschen Angelfischer-Verbandes (DAFV) Frau Dr. Happach-Kasan – mir als ehemalige FDP-Bundestagskollegin langjährig bekannt und als Biologin auch fachlich geschätzt – warnte in diesem Gespräch vor einer solchen Linie ohne jede Kompromissbereitschaft. Als Biologin argumentierte sie, dass es sehr wohl in einem Schutzgebiet sinnvoll sei, bei der Evaluierung der Schutzwirkung später untersuchen zu können, welche Unterschiede in verschiedenen Schutzzonen wissenschaftlich nachweisbar seien. Sie verwies auf das gleichzeitige Engagement relevanter Umweltverbände in dieser Debatte, denen der vorliegende Kompromissvorschlag vermutlich schon zu weit ginge. Dessen ungeachtet übermittelte ich den Wunsch der Angelkutterkapitäne mit einer östlichen Verschiebung an das BMUB und bereits im September 2016 wurde vom Bundesumweltministerium dieser Vorschlag 1 : 1 für die Ressortabstimmung mit dem BMEL umgesetzt. Aus meiner Sicht eindeutig der 2. Erfolg und Fortschritt für die Angler und unsere Region. Man kann nämlich kaum genug würdigen, dass das BMUB diesem Wunsch nach der östlichen Verschiebung tatsächlich folgte, weil die für die Angelkutterbetriebe hochattraktiven Riffe im Fehmarnbelt eben deshalb als Angelgrund so begehrt sind, weil sich dort die Dorsche tummeln und ihre „Kinderstube“ haben – damit sind sie aber eben auch für den Dorschnachwuchs und die Stabilisierung der hochgradig gefährdeten Dorschbestände herausragend relevant. Das zu leugnen wäre unseriös und quasi „postfaktisch“.


Entwurf der Karte vom Fehmarnbelt von 2016
 
Es ist zudem wichtig hervorzuheben, dass bei der Debatte um die Einschränkungen für Freizeitangler leider stets zwei Dinge miteinander vermischt werden, die zwar beide 2016 aktuell und parallel diskutiert wurden, die aber in Wahrheit formell NICHTS miteinander zu tun haben – einerseits ist die von Brüssel im Herbst 2016 verfügte Absenkung der Dorschquote für Fischer und Angler aufgrund des dramatischen Dorschrückganges insbesondere in der westlichen Ostsee bereits in Kraft, während andererseits die diskutierte Angelverbotszone im FFH-Gebiet noch gar keinen negativen Einfluss auf die Erträge der Angelkutterkapitäne haben KONNTE, weil die Verordnung bislang nur diskutiert wurde und erst voraussichtlich Ende Mai oder Juni 2017 „das Licht der Welt“ erblicken wird. Die von den Angelkutterkapitänen aktuell behaupteten Umsatzeinbußen von 70 Prozent im 1. Quartal 2017 KÖNNEN demzufolge mit der geplanten Angelverbotszone NICHTS zu tun haben.

Wie sicher bekannt ist, ist es nach den regelmäßigen wissenschaftlichen Untersuchungen für die zuständige EU-Ebene in Brüssel seit Frühsommer 2016 absolut unstrittig, dass der Dorschjahrgang 2015 quasi komplett nicht überlebt hat und die Dorschbestände – mehr noch in der westlichen als in der östlichen Ostsee – 2016 derartig dramatisch eingebrochen sind, dass die Wissenschaftler eine um bis zu 88 Prozent (!) reduzierte Dorschfangquote empfohlen haben. Als die für Fischereipolitik zuständige Europa-Abgeordnete in Brüssel hat Ulrike Rodust bereits am 10 Juni 2016 in Heiligenhafen im Gespräch daher auf den enormen Handlungsbedarf hingewiesen und zugesagt, dass sie einen Dialog mit den betroffenen Verbänden führen werde, bevor eine Entscheidung zur Höhe der abzusenkenden Dorschquote in Brüssel zu treffen sei. Diese Zusage hat meine SPD-Kollegin im Europaparlament mit drei „Runden Tischen“ in Lübeck mit allen Betroffenen eingehalten und auch im Ergebnis eine Reduktion der Dorschquote auf „nur“ 56 Prozent erreicht. Allerdings werden bei dieser Reduktion ERSTMALIG auch die Fänge der Angelkutter und NICHT NUR – wie bisher stets – die Fänge der Berufsfischer berücksichtigt. Zu bedenken ist, dass BISHER die Angelkutter u.a. auch während der Laichzeit der Dorsche ihrem Geschäft ungehindert nachgehen konnten, während die Fischer in der Laichzeit im Hafen bleiben mussten – eine Praxis, die nicht unbedingt logisch erklärbar ist. Da allerdings – wissenschaftlich erwiesen und von den Angelkuttervertretern auch nicht geleugnet – die Dorschmenge, die jährlich der Ostsee entnommen wird, bei Fischern und Angelkuttern jeweils fast gleich ist, erscheint mir eine Beteiligung der Angelkutter zur Schonung der Dorschbestände absolut angebracht. Das ist letztlich auch eine Frage der Solidarität angesichts der dramatischen Existenzgefährdung der Berufsfischer, die nicht nur für Schleswig-Holsteins Ernährungswirtschaft eine wichtige Rolle spielen, sondern als Ausbildungsbetriebe auch für den Fortbestand des Fischereihandwerks Sorge tragen. Ihre existentielle Not ist mit der der Milchbauern durchaus vergleichbar. Ergänzend sei erwähnt, dass an diesen Verhandlungen in Brüssel federführend für die Bundesregierung CSU-Landwirtschaftsminister Schmidt – und eben NICHT SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks – aktiv teilgenommen und den gefundenen Kompromiss mit der 56 Prozent-Quote öffentlich verteidigt und gelobt hat.

Insofern habe ich auch bei der Podiumsdiskussion der „Fishing Masters Show“ am 22. April in Burgstaaken mein Unverständnis gegenüber einzelnen Angelvertretern geäußert, dass diese erstmalige Beteiligung an den negativen Auswirkungen der Brüsseler Ostseequote bei Dorsch nicht akzeptiert und Solidarität gegenüber den Berufsfischern gezeigt wird. Für diese Äußerung habe ich zwar öffentlich Buh-Rufe geerntet und Schmäh-Emails erhalten, aber ich stehe dazu: Denn für BEIDE Berufsgruppen steht letztlich die berufliche Existenz vor allem dann auf dem Spiel, wenn die Dorschbestände sich nicht nachhaltig erholen – und das geht natürlich NUR durch Schonung der Bestände und folglich reduzierte Fänge BEIDER Berufsgruppen.

Ja, ich sorge mich um die Zukunft von Fischern und Anglerkuttern und dem damit verbundenen Tourismus. Deshalb kämpfe ich für politisch verantwortbare Lösungen und Kompromisse, damit auch meine drei Enkelkinder noch Ostseedorsch angeln und genießen können. Ich bin in Laboe aufgewachsen, in dessen Hafen auch heute noch Angelkutter beheimatet sind – einen dieser Kutter, die „Langeland“, hat viele, viele Jahre mein Cousin Gerrit Vöge als Kapitän gefahren. Einer meiner drei Söhne ist seit frühester Jugend passionierter Angler und als Jugendlicher in allen Sommerferien als Ferienjob an Bord der „Langeland“ mitgefahren. Seinem heute 1 1/2jährigen Sohn möchte er später auch das Angeln beibringen und an Bord eines Angelkutters auf Dorsch angeln können – dazu muss es aber auch in 10 und 20 Jahren noch Dorsch geben und die Bestände müssen sich unbedingt schnell erholen. Insofern sind mir die Probleme der Angelkutter und der Angler durchaus vertraut und wichtig.


Entwurf Karte Fehmarnbelt von April 2017 mit deutlicher Verschiebung nach Osten
 
Bei der öffentlichen Podiumsdiskussion in Burgstarken war eine der Fragen des Moderators an mich, ob die SPD etwas gegen Angler hat. Diese Frage empfand ich nicht wirklich als sachgerecht angesichts der vielen Gespräche, Initiativen und erreichten Kompromissvorschläge des BMUB, die ich seit Frühjahr 2016 nachweislich erreichen konnte. Dass man mit konstruktiven Gesprächen zu besseren Lösungen kommen kann als mit Frontalopposition, konnte ich den Angelkutterbetrieben in Schleswig-Holstein im Übrigen schon von Oktober 2002 bis Februar 2003 bei einem ebenfalls für sie existentiellen Thema im Ressort des Verkehrsministeriums belegen: damals habe ich auf Initiative von MdL Gerhard Poppendiecker aus Heiligenhafen ebenfalls Betroffene zu Gesprächen nach Berlin eingeladen: Willy Lüdtke und Jens Meyer waren im Übrigen schon damals dabei, außerdem die betroffenen Kapitäne Uli Böttcher, Egbert Jasper sowie mein Cousin Gerrit Vöge. Worum ging es damals? Nach einer EU-Richtlinie in nationales Recht (Nationale Fahrgastschiffsrichtlinie) sollten ab 2006 Fahrgastschiffe und Angelkutter mit einer Länge von unter 24 m (ab 24 m gilt EU-Recht) nicht mehr zehn Meilen, sondern nur noch fünf Meilen auslaufen dürfen – mit dramatischen Konsequenzen für die Attraktivität dieser Hochseeangelfahrten. Ich konnte für die SPD (vor 15 Jahren!) erreichen, dass dieser Passus in der „Nationalen Fahrgastrichtline“ gestrichen wurde und so die Hochseeangler seitdem weiterhin für sie attraktive Fangründe in größerer Distanz erreichen können. Da Willy Lüdtke und der heutige EGOH-Verantwortliche Jens Meyer diesen Vorgang und Erfolg für die Hochseeangler durch mich damals „live“ miterlebt haben, hätte ich bei der Frage nach meiner Glaubwürdigkeit (und der SPD) zu Gunsten der Angler zwar keinen „Lorbeerkranz“ erwartet, aber zumindest keinen Totalausfall des Gedächtnisses. Deshalb bleibe ich als pragmatische Realpolitikerin ein „Fan“ von realistischen Kompromissen. Darum war ich sehr froh, bei der Podiumsdiskussion am 22. April 2017 in Burgstaaken eine neue Karte als Grundlage für die nun bald in Kraft zu setzende Verordnung des Umweltministeriums vorstellten zu können. Diese für die Verordnung vorgesehene Angelverbotszone beinhaltet ein weiteres Entgegenkommen des BMUB gegenüber den Angelkutterkapitänen: die Angelverbotszone ist jetzt nicht nur deutlich nach Osten verschoben, sondern auch noch einmal um fast 20 Prozent gegenüber dem Herbst 2016 verkleinert worden (also in totalen Prozenten ausgedrückt von 30 Prozent auf knapp 25 Prozent der Ursprungsfläche) – damit ist ein großer Teil des westlichen Riffs für künftige Angelkutterfahrten zugänglich und ein wichtiger Erfolg für das Engagement der Angelkutterkapitäne der Region erreicht. Mein Fazit: es ist ein Beweis dafür, dass konstruktive Verhandlungen in der Regel den Betroffenen mehr helfen als lautstarke Frontalopposition ohne Kompromissbereitschaft.

Warum gab es nun zur Vorbereitung dieses 3. Erfolges für die Angelkutterkapitäne keine weiteren direkten Gespräche mehr? 1. Weil das Umwelt- mit dem Landwirtschaftsministerium seit Herbst 2016 in eine monatelange Ressortabstimmung gegangen ist, bei der Gespräche mit Betroffenen parallel weder möglich noch üblich sind. 2. Weil die „Allianz gegen das Angelverbot“ im Herbst einen Klagefonds einrichtete und öffentlich klarmachte, dass sie zu keinen Kompromissen bereit sind und nur ein komplettes Streichen des Angelverbotes akzeptieren würden – das konnte natürlich nur als Absage an konstruktive Lösungsversuche interpretiert werden. Natürlich darf in unserem Rechtsstaat von jedermann geklagt werden … aber mit dieser Ansage ist dann die Dialogbereitschaft bei Null…

Ich denke, diese Zusammenstellung der FAKTEN zeigt, dass Sozialdemokraten in Brüssel, in Berlin und auch ich persönlich in Ostholstein die Anklage, „ob die SPD etwas gegen Angler habe“ nicht verdient haben. Wir haben auf Gespräche und Kompromisse gesetzt mit Menschen, die zum Dialog bereit sind. Da auch ich anfangs zu den Kritikerinnen eines totalen und grundsätzlichen Angelverbots gehörte, kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass sich – endlich und nach vielen Gesprächen und zähen Verhandlungen - eine Kompromisslösung abzeichnet, die die Interessen der Angelkutterkapitäne ebenso berücksichtigt wie den dringend notwendigen Schutz der bedrohten Dorschbestände in der Ostsee. Es ist natürlich die Pflicht des Umweltministeriums, diese Verordnung – mit der die Bundesrepublik gegenüber Brüssel bereits seit vielen Jahren im Verzug ist – zeitnah in Kraft zu setzen, so wie andere Minister in Berlin es in ihrem eigenen Verantwortungsbereich ebenfalls noch vor der Bundestagswahl tun.


mit Ulrike Rodust und Jochen Flasbarth am 10. Juni 2016 in Heiligenhafen
 

Homepage Bettina Hagedorn

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